Profiliert nichtreligiöse und humanistische Perspektiven, Lebenswelten, Themen und Anliegen kommen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum vor – trotzdem humanistische BeitragszahlerInnen ebenso zu dessen Finanzierung beitragen wie religiöse BürgerInnen.
Das Fernsehen ist laut der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation weiterhin das reichweitenstärkste Medium in Deutschland, gefolgt vom Hörfunk und den Tageszeitungen. Auf die Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender entfielen im Jahr 2017 laut der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich 46,7 Prozent der durchschnittlichen Nutzung, auf die ARD-Hörfunkprogramme 55 Prozent.1Sechster KEK-Konzentrationsbericht (2018) Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind auch in unserem Zusammenhang von besonderer Relevanz: zum einen, weil sie sich durch die Gesamtheit der GebührenzahlerInnen finanzieren, und zum anderen, weil das verfassungsrechtliche Gebot zur Gleichbehandlung des religiös gebundenen und des nicht religiös gebundenen Teils der Bevölkerung dort selbstverständlich ist – oder besser: sein sollte. Denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dies bei weitem nicht der Fall ist.
Fehlende Vertretung in Rundfunk- und Programmbeiräten
Die Rundfunk- und Programmbeiräte spielen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine wichtige Rolle, wenn es um die Ausrichtung und Gewichtung der Inhalte geht. Gesetzlich sind sie in den Rundfunkstaatsverträgen der Bundesländer sowie des Bundes verankert und dienen als Kontrollinstanzen für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die Räte umfassen 25 bis 60 Sitze. Entsandt werden sie von Organisationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft.
Zu den Aufgaben eines Rundfunkrates gehört etwa im Fall des Südwestrundfunks (SWR), der nach MitarbeiterInnen und Einnahmen zweitgrößten ARD-Sendeanstalt, „der Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung Rechnung“ zu tragen und darüber zu wachen, dass der Sender seine Aufgabe erfüllt.
Hinzukommen in der Regel wichtige Personalentscheidungen für die Leitungsebene des Senders. So wird es z. B. nicht ohne Auswirkungen für den Bayerischen Rundfunk bleiben, dass mit dem Prälaten Dr. Lorenz Wolf, dem Leiter des Katholischen Büros Bayern, ein exponierter katholischer Geistlicher an der Spitze des dortigen Rundfunkrats steht. Ähnlich die Lage beim ZDF-Fernsehrates: Den Vorsitz dort hat seit 2016 die Juristin und Sozialwissenschaftlerin Marlen Thieme, seit 2003 auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland.
In den Rundfunkbeiräten gibt es regelmäßig einen oder mehrere Sitze für Repräsentanten des Teils der Bevölkerung mit christlichem und jüdischem Bekenntnis sowie im Falle der ab 1. Januar 2016 geltenden Novellierung des ZDF-Rundfunkstaatsvertrages nun ebenfalls der muslimischen Konfession. RepräsentantInnen der nichtreligiösen BürgerInnen wurden allerdings trotz entsprechenden Forderungen bislang keine Sitze in den Räten der Sendeanstalten eingeräumt. Ebenso erfolgte dies mit einer Ausnahme nicht in den Medienräten/-kommissionen der Länder, die die unabhängigen Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk bilden.
Privilegierung christlicher Verkündigungssendungen
Groß ist zudem das Portfolio kirchlicher Sendungen im TV und Hörfunk. Neben dem „Wort zum Sonntag“ und der Übertragung von Gottesdiensten findet sich allein im Programm des SWR ein bunter Strauß an Formaten: „Lichtblicke“, „Anstöße“, „Begegnungen“, „Morgengruß“, Morgen‑, Abend‑, Sonntagsgedanken, „Kreuz und Quer“ für junge Leute – die geistliche Begleitung für die Hörer ist reichhaltig.
Rechtsgrundlagen dafür finden sich ebenfalls in den Rundfunkstaatsverträgen. Dort heißt es: „Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen“. Gleich- oder ähnlich lautende Formulierungen zu den sogenannten Verkündigungssendungen gibt es in den Rundfunkgesetzen der anderen Länder. Allein im September 2013 gab es beim Südwestrundfunk insgesamt 165 Sendungen, die in Verantwortung kircheneigener Redaktionen produziert wurden – und für die der SWR (bzw. der Gebührenzahler) sogar bezahlte: „Der SWR weist den SprecherInnen eine bescheidene Aufwandsentschädigung an, mit der auch die Sende- und Onlinerechte für die Texte abgegolten sind“, so SWR-Unternehmenssprecher Wolfgang Utz im Jahr 2014.
Eine ähnliche Situation findet sich bei den weiteren Sendeanstalten der ARD. Auch nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften genießen solche Senderechte für Verkündigungssendungen. Allerdings erhalten sie nur verschwindend kleine Sendefenster zu in der Regel unattraktiven Uhrzeiten – beim Bayerischen Rundfunk etwa eine knappe Viertelstunde in den frühen Morgenstunden des Sonntags, und dies auch nur alle paar Wochen.
Tendenziöse Redaktionspolitik
In den öffentlich-rechtlichen Sendern befassen sich zumeist eigene Redaktionen mit der Verwaltung der Verkündigungssendungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie der Bearbeitung weltanschaulich relevanter Nachrichten. Hier ist in der Regel festzustellen, dass diese Redaktionen ihre Aufgaben nur selten darin sehen, neutral bzw. in einer journalistisch angemessen distanzierten Form über das gesamte Spektrum weltanschaulicher Überzeugungen in ihrem Sendegebiet zu berichten. Vielmehr erwecken sie nicht selten den Eindruck, als „Kirchenfunk“ eine journalistische Außenstelle der Kirchen in öffentlich-rechtlichen Sendern zu sein.
Hinzukommt, dass das beschäftigte Personal üblicherweise – z. B. durch eine entsprechende theologische Ausbildung – eine kirchliche Vorprägung aufweist. Der Bayerische Rundfunk etwa macht auf dem Web-Auftritt seiner Redaktion „Religion und Kirche“ ausdrücklich Werbung für den evangelischen Freiwilligendienst2abgerufen am 04.05.2015 und verbreitete einen werbenden Beitrag über die Rummelsberger Brüder3ein evangelischer Orden mitsamt dem ihnen zugehörigen Sozialkonzern mit über 5.000 MitarbeiterInnen. Als Kommentator der Weltläufte fungiert der Münchner Kardinal Marx, dessen Meinungen auch als Podcast verbreitet werden.
Durch die Mischung von Verkündigungssendungen und redaktionellen Beiträgen geht für das Publikum die Unterscheidbarkeit von rein interessegeleitetem oder gar werblichem Beitrag und seriösem journalistischem Format verloren. Dadurch und durch tendenziöse Redaktionspolitik erhalten die Religionsgemeinschaften, und vor allem die Kirchen, eine enorme Privilegierung auf Kosten der Gesamtheit der GebührenzahlerInnen. Insbesondere für nichtreligiöse, humanistische HörerInnen und ZuseherInnen ist es ein als Diskriminierung erfahrenes Ärgernis, für Kirchen- und Glaubenswerbung zahlen zu müssen, eigene Anliegen und Inhalte aber in der journalistischen Praxis der Sender wenig oder kaum repräsentiert zu sehen.